Brenda Lien
ist Regisseurin, Komponistin, Feministin und Youtube-Konsumentin. Als Kind hat sie Klavier und Geige gespielt und war schon früh am Konservatorium in Frankfurt. Nachdem sie feststellte, dass sie mindestens sechs Stunden am Tag üben müsse, um wirklich erfolgreich zu werden, entschloss sie Kunst zu studieren. An der Hfg Offenbach bewarb sie sich mit Zeichnung, Malerei und Fotografie. Ein paar Semester später war sie beim Film hängengeblieben.
Brenda Lien setzt sich in ihren Filmen mit gesellschaftlich relevanten Themen wie zum Beispiel Schönheitsidealen, Überwachung oder Ausbeutung auseinander. Dabei interessiert sie sich wie alte Konsum-, Macht- und Denkmuster die neuen Erzählungen prägen. In der Kurz-Film Trilogie „Call of Beauty“, „Call of Cuteness“ und „Call of Comfort“ setzte sich Brenda kritisch mit populären Internetvideos auseinander und fragt sich, warum bestimmte Video so beliebt werden und was es für unsere Gesellschaft bedeutet. Die Musik für ihre Filme schreibt sie ebenfalls selbst.
Du beschäftigst dich mit Film und Musik. Welches Medium ist eigentlich wichtiger für dich?
Für mich sind Farben, Formen und Klänge unmittelbar miteinander verbunden und ich versuche die Musik mit den Inhalten von den Filmen abzustimmen. Meine Musik gibt nicht nur die Emotionen wieder sondern fügt weitere Bedeutungsebene hinzu.
Ich würde mir wünschen, dass ich weiterhin zweigleisig fahren kann. Dass ich mich weiterbilden kann, was die Musik angeht. Das Ding ist einfach, dass das Filmbusiness so krass patriarchal und so vom Geld abhängig ist. Mensch ist sehr in diesem Festival-Zyklus und in dieser krassen Hierarchie eingebunden. Klar hatte ich schon meine ersten Erfolge, gewisse Türen habe ich da schon geöffnet, aber ich frage mich, ob es langfristig etwas für mich ist, weil ich nicht weiß, ob ich da reinpasse. Andererseits habe ich das Gefühl, dass Film ein potentes Medium ist, welches super viel in anderen Menschen auslöst. Manchmal denke ich, dass Social Change eher über einen Film als über ein theoretisches Buch stattfinden kann.
Kann man mit Kunst unsere Gesellschaft verändern?
Das ist eine Gretchenfrage: Warum macht Mensch überhaupt Kunst? Ich denke schon, dass Kunst etwas verändern kann, weil mich die Kunst von anderen oft verändert hat. Und ich hatte schon viele Film-Screenings, wo die Betrachter:innen danach inspiriert waren. Vielleicht hatten sie nie über die Themen in meinen Arbeiten nachgedacht, oder konnten ihre Gefühle oder Gedanken dazu nicht richtig artikulieren.
Ich habe aber trotzdem oft ein Problem damit, dass in der Kunst für mich alles politisch sein muss. Das blockiert mich manchmal, weil ich so selten Sachen machen kann, die „nur“ schön sind. Wenn ich Musik mache, ist das für mich ein Ventil ohne Wertung. Da denke ich nur, okay, das hört sich geil an, auch wenn es dann Popmusik ist, egal!
Beim Film ist das anders.
Vielleicht erinnerst du dich daran, wann du Feministin geworden bist und warum?
Ich habe erst kurz vor „Call of Beauty“ meinen Feminist-way eingeschlagen, weil ich davor als cool-girl Feminismus nicht so cool fand bzw. lange brauchte, um ihn wirklich zu verstehen. Ich habe auch die Statistiken gelesen, dass Frauen weniger Förderung bekommen – wenn überhaupt – und dass sie überall diskriminiert werden, vor allem in der Kulturindustrie. Ich habe mich gefragt: Was mache ich eigentlich in dieser Branche? Warum studiere ich das überhaupt? Dann habe ich bemerkt, dass während ich mich mit politischem Aktivismus abrackere, meine männlichen Kommilitonen einfach weiter Filme machen. Was ist das für ein Fail? Wie kann ich mich auf meine künstlerische Arbeit konzentrieren und trotzdem noch aktivistisch bleiben? Deswegen kam ich darauf, dass ich bei „Call and Beauty“ nur mit FLINTA-Menschen Film machen werde, was eine gute Erfahrung war.
Wie war diese Erfahrung?
Frankfurt ist keine Filmhauptstadt. Das heißt, dass viele Leute aus dem Bereich in Berlin, Köln oder München sind. Bei meinem Diplomfilm „First Work, Then Play“ (wo wir ca. 25 Leute am Set waren) war es (vor allem als Low-Budget Projekt) schwer eine FLINTA-Crew zusammenzusuchen. Wir mussten immer viele Leute heranziehen. Das heißt - mehr Kosten. Das war auch viel Aufwand. Wir hatten eine Schauspielerin aus London, eine Kamerafrau aus Zagreb, eine Setdesignerin und Tonfrau aus Barcelona. Das war eine krasse Stimmung, weil niemensch von uns sowas bis jetzt in der Form erlebt hatte. Alle waren so richtig reflektiert darüber, was für eine nervige Stimmung an anderen Sets oft herrscht, wo du dich dauernd beweisen musst. Die Typen hören dir nicht zu. Die Typen patronisieren dich oder hinterfragen alles, was du an Anweisungen gibst. Sie nehmen dich nicht ernst.
Das Set war super caring. Bei Fehlern wurde nicht gejudged, sondern gefragt, wie geholfen werden konnte . Meine Kamerafrau hat mich einmal umarmt. Ich will damit nicht implizieren „FLINTA Menschen arbeiten besser“, aber mindestens die Arbeitsstimmung war besser und sehr effektiv.
Hast du denn schon Sexismus erlebt?
Für mich ist es schwierig über einzelne Erfahrungen zu reden, weil es ein strukturelles Problem ist und nicht nur ein individuelles. Ich habe Sexismus sowohl in der Arbeitswelt als auch an der HfG erlebt. Ich habe auch einen Kamerajob deswegen nicht bekommen, weil ein Typ aus dem Schauspiel gesagt hat, dass er schlechte Erfahrungen mit Kamerafrauen gemacht habe und er nicht glaubte, dass ich eine Kamera für zwei Stunden tragen könne. Sie wiegt nur drei Kilo! Sorry, aber überschätzt mal eure Muskeln nicht! Als die Absage kam – im zweiten oder dritten Semester war das – war ich super frozen am Telefon und konnte mich überhaupt nicht wehren. Ich hatte überhaupt kein Mittel mich zu wehren, aber danach dachte ich:
DAS PASSIERT MIR NIE WIEDER!
Ich habe mich 2015 der Gruppe „Pro Quote Regie“ angeschlossen. Es ist eine politische Gruppierung von Regisseur:innen und FLINTA Filmschaffenden, die sich für eine Quote bei der Filmförderung eingesetzt haben. Sie haben eine Studie über die Repräsentation von FLINTA in unterschiedlichen Berufen im Film gemacht, die mich stark umgehauen hat.
Auf der Ausstellung zeigt Brenda Lien die Galerie Version ihres neuen Films „Work In Progress“. Es geht um eine junge Musikproduzentin, die sich im Spannungsfeld von Hustle Culture, Burnout und Perfektionismus bewegt.
Text: Olga Inozemtceva-Appel