KVTV kuratiert Sexual Intellectual

Nicholas Grafia & Mikołaj Sobczak „The Accursed Ones“, 2018 Zweikanal-Video, 10:45 min

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Catharina Cramer „A Boxed Rebellion“, 2019, 4k Video, 20:25 min, Monster‘s of Ambiguity 1 & 2, 2019 Druck auf Fotoglanzpapier 42 x 28,5 cm

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Catherina Cramer „Monster‘s of Ambiguity 1 & 2“, 2019, Druck auf Fotoglanzpapier, 42 x 28,5 cm

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Nicholas Grafia „Legit / Threat (Meet Me at the Airport)“, 2018, Öl, Gouache, Acryl auf Leinwand, 110 x 110 cm

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Daniel Topka „o. T. (American Crime Story Season 2)“, 2019, Keramik 26,5 x 19 cm

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Daniel Topka „o. T. (The Advocate: Versace speaks, S. 2, 4, 5)“, 2019

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Daniel Topka „o. T. (The Advocate: Versace speaks, S. 2, 4, 5)“, 2019

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Nicholas Grafia „Employee of the Month (Average Black Drag)“, 2017, Öl auf Leinwand, 60 x 50 cm

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Nicholas Grafia „Employee of the Month (Average Black Drag)“, 2017

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Floor plan „Sexual Intellectual"

Sexual Intellectual

Mit der Ausstellung Sexual Intellectual kuratiert das Kollektiv KVTV seine zweite Ausstellung in Frankfurt am Main. Als Ausstellungsort dient der temporäre Raum The Reference, der von KVTV initiiert wurde. Sexual Intellectual zeigt neue Werke von Catherina Cramer, Nicholas Grafia und Daniel Topka. Wie der Titel der Ausstellung besagt, setzen sich die Künstler:innen in ihren Werken mit dem Thema Sex, Geschlecht und Identität auseinander. Wie wird sexuelle Identität hergestellt? Wie gelingt die gesellschaftliche Konstruktionen von Heteronormativität? Wie können sexuelle Identitäten jenseits der Norm aussehen? Welches Potential liegt in der Ambivalenz von gesellschaftlicher Norm und leiblicher Lust, Trieb, Sex und Gewalt? Wie kann Sexualität und sexuelle Identität in Malerei, Installation, Video und Performance ästhetisch und selbstbestimmt zum Ausdruck gebracht werden? Die ausgestellten Werke bringen den bereits stattfindenden Prozess der Sichtbarmachung von marginalisierten Themen und sexuellen Identitäten voran. Durch die Kunst werden Risse im Konstrukt Heteronormativität aufgezeigt und als Nährboden für Neues sichtbar.

Catherina Cramer zeigt ihre Videoinstallation A Boxed Rebellion. Die Videoarbeit wird in einem mit Trapezblech verkleideten Wandschrank gezeigt und ist ein grelles, futuristisches Kammerspiel. “Let’s take a look on the inside. The perfect place to store yourself is a self storage.” Mit diesen Worten beginnt das Video von Cramer und nimmt die Zuschauer mit in eine beklemmende Welt der Selbst - „Aufbewahrung“. Der Film spielt nämlich in einem großen Aufbewahrungslager. Statt Gegenständen, die normalerweise in solchen Boxen gelagert werden, halten sich in den einzelnen Blechkammern verschiedene Menschengruppen auf. Man weiß nicht, ob sie dort dauerhaft wohnen oder sich bloß zurückgezogen und eingesperrt haben, um an diesem Ort Fragen zu stellen oder eine Transformation ihrer Körper zu vollführen. Das sich abwechselnd gelangweilt anmutende und dann aktiv gestalterische Beisammensein der einzelnen Containergruppen wird von Seifenblasen verfolgt, die über den Köpfen der Versammelten auftauchen und platzen. Vor dem Platzen sind sie mit Sprechinhalten, vergangenen Erlebnissen oder Aufforderungen gefüllt. Aber auch an Frankenstein erinnernde Laborexperimente an unbekannten Körperteilen tauchen in den Bildern auf und lassen den Zuschauer vermuten, dass sich hier Körper und Geist durch diese Transformation verändern. Das Ende ist offen gehalten und ein Gefühl von Parallelwelten bleibt. Die an den Schrankwänden hängenden Drucke dienen in der Videoarbeit als Kulisse und wachsen nun, wie die Trapezblechbox in den Ausstellungsraum hinein.

Von Nicholas Grafia sind bei Sexual Intellectual zwei Malereien und ein Video zu sehen. Die Malereien Legit / Threat (Meet Me at the Airport) und Employee of the Month (Average Black Drag) spiegeln Grafias Beschäftigung mit Fragen zu Identitätspolitik, (queerer) Subversion und Postkolonialismus wider. Der Künstler geht der Frage nach, wie unsere Körper durch Sehgewohnheiten und Blicke geformt werden. Dabei steht die Untersuchung von vorherrschenden Geschlechterrollen, das Hinterfragen von Erinnerungskultur sowie gängiger Vorstellungen von Maskulinität im Fokus. Grafia erschafft zugleich neue, alternative Rollenbilder und fragt, wie diese aus den alten hervorgehen können. Um Vergangenes, das in der Gegenwart neu erscheint, geht es auch in dem Video The Accursed Ones, welches im Keller gezeigt wird. Es visualisiert eine Performance von Grafia, die in Kollaboration mit Mikołaj Sobczak entstanden ist und in Zusammenarbeit mit dem in Warschau lebenden Drag-Aktivisten und Tänzer Uel zum ersten Mal im Museum of Modern Art in Warsaw aufgeführt wurde. Die Performance verwebt verschiedene Narrative, geschichtlicher Ereignisse und kultureller Praxen. Dabei werden Geister aus der Vergangenheit in der Gegenwart heraufbeschworen, um auf verschiedene Arten zukünftige Utopien zu entwerfen.

Daniel Topka zeigt seine speziell für die Ausstellung geschaffenen Arbeiten o. T. (American Crime Story Season 2) und o. T. (The Advocate: Versace speaks). Beide Arbeiten sind von dem Modemacher Gianni Versace und der Serie The Assassination of Gianni Versace inspiriert. o. T. (American Crime Story Season 2) ist eine Keramik, die das Cover der Serie aufgreift. Der Künstler arbeitet häufig mit Keramik und begreift seine Reliefs als stofflichen Ausdruck von Gedanken. Die zweite Arbeit o. T. (The Advocate: Versace speaks) ist eine farbige Installation, die aus drei laminierten Drucken auf Regenbogenfolie besteht. Sie greift ein Interview mit Gianni Versace aus dem Jahre 1995 auf und verarbeitet Text- und Bildausschnitte daraus. Bei Daniel Topka stehen Ideen und das Interesse am gesellschaftlichen Konstrukt im Fokus seines Schaffens. Versace steht als Pate für den Kampf um die Anerkennung von gleichgeschlechtlicher Liebe und Sexualität in der Gesellschaft. Der gewaltsame Tod des Modeschöpfers wird bis heute mit seiner Homosexualität in Verbindung gebracht und zeigt wie fragil sexuelle Gleichberechtigung trotz aller Fortschritte immer noch ist. Der Künstler interessiert sich gerade für diese Kontinuität in Sujets und Biografien. Nicht die Jagd nach Neuem, sondern Spuren in die Gegenwart freizulegen, ist ein Anspruch an sein eigenes künstlerisches Schaffen.

Künstler:innen Biografien:

Catherina Cramer (1988, Wesel) studierte von 2015 bis 2019 Performance und Video an der Kunstakademie Düsseldorf und an der Kunstakademie Münster bei Shana Moulton und Daniele Buetti. Sie schloss ihr Studium als Meisterschülerin bei Dominique Gonzalez-Foerster ab. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Frankfurt am Main und Düsseldorf.

Nicholas Grafia (1990, Angeles City, Philippinen) studierte bis 2016 an der Westfälischen Wilhelms Universität in Münster British, American und Postcolonial Studies und parallel an der Kunstakademie Münster bei Shana Moulton und Daniele Buetti. Im Juli 2019 absolviert Grafia sein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf als Meisterschüler bei Dominique Gonzalez-Foerster. Der Künstler lebt und arbeitet in Düsseldorf.

Daniel Topka (1992, Waldshut) studiert seit 2015 Bildhauerei an der Universität der Bildenden Künste in Berlin bei Manfred Pernice. 2017 absolvierte er ein Gastsemester an der School of Visual Arts in New York. Der Künstler lebt und arbeitet in Berlin.

Fotos: Anton Sahler

Kuratiert von KVTV